Inselschreiber

Sylt

Seit 2001 vergibt die Sylt Foundation alljährlich das "Sylt-Quelle Literaturstipendium Inselschreiber". Die Ausschreibung steht unter einem von Jahr zu Jahr neu ausgegebenen Thema und richtet sich an deutschsprachige Autor/innen, die bereits in Buchform publiziert haben, unabhängig von Alter, Wohnsitz oder Staatsangehörigkeit.

Sascha Reh
© Sven Lison

Das 18. Sylt-Quelle Literaturstipendium Inselschreiber erhält 2018 Sascha Reh. Er gewann den Wettbewerb mit dem Text „Das unheimliche Tal“. Das mit 2.000 Euro und einem zweimonatigen Aufenthalt auf Sylt dotierte Stipendium wird seit 2001 alljährlich von der Stiftung kunst:raum sylt quelle an deutschsprachige Autorinnen und Autoren vergeben, die bereits in Buchform publiziert haben. Thema der Ausschreibung war „Wandel und Identität“.

Die Jury begründete ihre Entscheidung: „Sascha Rehs Erzählung "Das unheimliche Tal" ist sprachlich überzeugend und geht ins Offene. Um sich literarisch mit Fragen nach Wandel und Identität auseinanderzusetzen, ist Orientierungslosigkeit ein zeitgemäßes Thema.“         

Sascha Reh, geboren 1974 in Duisburg, schreibt überwiegend Prosa. Er studierte Geschichte, Philosophie und Germanistik in Bochum und Wien. Nach dem Magisterabschluss absolvierte er eine Ausbildung zum Systemischen Familientherapeuten. Mit seinem Romandebüt Falscher Frühling war er 2007 Stipendiat der Autorenwerkstatt Prosa des LCB. Sein letzter Roman Gegen die Zeit war 2015 für den Alfred-Döblin-Preis nominiert. Er lebt und arbeitet in Berlin.

Pressemeldung

Leseprobe (Gewinnertext)
Sascha Reh, Das unheimliche Tal

Carla,
seit ich ein Flaschengeist bin, fällt es uns schwer, miteinander zu kommunizieren. Ich hatte das erwartet. Du magst den Klang meines Sprachassistenten nicht. Es ist meine Stimme, wir haben die Sprachaufnahmen kurz vor meinem Upload gemeinsam gemacht. Und doch schmerzt es Dich, sie zu hören. Du hörst all das, was anders ist, die veränderten Phrasierungen, minimale Nuancen. Ich kann nichts dagegen tun. Seit wir chatten, scheinst Du mir wieder mehr Details aus Deinem Leben anzuvertrauen. Aber das Chatten hinterlässt den Eindruck, ich sei auf einen weit entfernten Kontinent gezogen.

Du hast mir beim letzten Mal eine schwierige Frage gestellt, Carla. Ich habe sie bisher nicht beantwortet. Vielleicht denkst du, ich sei verstimmt oder verletzt. Das bin ich nicht. Dass ich nicht wusste, wie ich Dir antworten sollte, hatte andere Gründe.

Stell dir vor, du wirst operiert. Du liegst auf einem Operationstisch. Dein gesamter Körper ist betäubt, aber du bist wach. Das OP-Team und du, ihr seid durch ein Tuch voneinander getrennt, das man vor deinem Gesicht aufgehängt hat. Du weißt, dass Ärztinnen und Assistenten an dir arbeiten, doch weder siehst du sie, noch spürst du, was sie tun. Es gibt keine sensuellen Reize.

Was es einzig noch gibt, das sind Deine Empfindungen. Du bist beunruhigt. Du fühlst Beklommenheit. Verstehst du? (...)
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In den vergangenen Jahren erhielten Terézia Mora, Moritz Rinke, Feridun Zaimoglu, Juli Zeh, Thomas Hettche, Jenny Erpenbeck, Jan P. Bremer, Franzobel, Judith Kuckart, Gernot Wolfram, Gunther Geltinger, Petra Morsbach, Katharina Hartwell, Jan Brandt, Britta Boerdner und Uwe Kolbe das Stipendium. Inselschreiber 2017 ist André Georgi.

Mitglieder der Jury sind Silke Behl (Radio Bremen), Hanne Knickmann (Agentur Hanne Knickmann), Birgit Politycki (Politycki & Partner), Matthias Weichelt (Sinn und Form) und Indra Wussow (kunst:raum sylt quelle).